Es gab Zeiten, da war es geradezu erwünscht, eine gewisse Leibesfülle sein eigen zu nennen. Man spricht nicht umsonst von einem „barocken Körperbild”. Zu sehen auf alten Gemälden von Rubens bis Michelangelo. Der wohlgenährte Aspekt dieser Körper war für jene Zeit Ausdruck von (Über)Lebenskraft und Gesundheit – der Körper als Nahrungsspeicher in Notzeiten. Der Gegenentwurf dazu – der extreme Schlankheitswahn – ist mit einer Erkrankung eng verbunden, die sich im 20. Jahrhundert zu ihrer vollen Blüte entwickelt hat, nämlich der Anorexie (Magersucht), bei der im wahrsten Sinne des Wortes nur noch von Haut und Knochen die Rede sein kann. Der derzeitige Trend scheint sich davon allerdings wieder etwas zu entfernen – die Medien machen’s – in diesem Falle Gott sei Dank – möglich.
Im allgemeinen sind Extreme nie von Dauer gewesen, da sie dem evolutionären Druck nicht standhalten konnten. Ebenso wie fettleibige Sumo-ringer z. B. eine stark reduzierte Lebenserwartung haben, können auch anorektische (magersüchtige) Patienten ebenfalls bereits in jungen Jahren an ihrer Erkrankung versterben.
Nach wissenschaftlicher Erkenntnis wird beim Menschen grundsätzlich zwischen zwei unterschiedlichen Arten von Fettgeweben unterschieden. Besonders bei Frauen bilden sich hormonell bedingt Fettablagerungen an Hüften, Oberschenkeln und Bauch – an den sogenannten sekundären Geschlechtsmerkmalen. Männer hingegen neigen eher dazu, ihre Fettdepots in der Bauchwand und an den Lenden über dem Hüftkamm anzusetzen. Eines haben jedoch beide Geschlechter gemeinsam: Sie möchten ihre „Rettungsringe” und „Reiterhosen” schnell und möglichst dauerhaft wieder loswerden. Meist ist eine Reduktion dieser Fettansammlungen mit herkömmlichen Diäten oder verstärkter sportlicher Betätigung kaum zu erzielen. Es bleibt der Gang zum ästhetischen Chirurgen.
Die Entwicklung der unterschiedlichen Methoden zur Fettabsaugung
Die heute praktizierte geschlossene Fettabsaugung ist der am häufigsten durchgeführte Eingriff in der ästhetischen Chirurgie. Das Fettgewebe bestimmt neben den Knochen und der Muskulatur die Kontur eines Körpers. Um es gleich vorweg zu sagen: Fettabsaugung (Liposuktion) darf nicht als Methode zur Gewichtsreduktion missverstanden werden. Es ist zuallererst ein Verfahren zur Körperkonturformung (Liposkulptur).
Früher konnte das Fettgewebe nur durch Herausschneiden entsprechender Areale der gewünschten Form angepasst werden. Damit verbunden waren große Narben und Weichteildeformitäten, die diese Methode limitierten. Vor ca. 28 Jahren wurde erstmals von einem plastischen Chirurgen über kleine Inzisionen versucht, Fettgewebe mittels Kürette zu entfernen. Eine ähnliche Vorgehensweise war die Verwendung eines „Planotoms”, mit dem die Fettpolster abgetrennt, anschließend mit einer elektrischen Fräse zerkleinert und schließlich abgesaugt wurden.
Als weitere Verbesserung der eingangs beschriebenen Technik wurde eine Kürette mit einem Absauggerät kombiniert. Allen Techniken gemeinsam war eine starke Traumatisierung der Unterhautfettschicht mit teilweiser Ablösung des Fettgewebes von der Muskelfaszie. 1977 wurde erstmals das Konzept der noch heute gültigen Methodik für die Fettabsaugung entworfen. Mit Hilfe stumpfer Kanülen wird das Unterhautfett tunneliert und gleichzeitig abgesaugt. Im Vordergrund bei dieser Vorge hensweise steht das mechanische Moment, bei dem die Fettzellen aus dem Bindege-websverband herausgelöst werden. Bei der ultraschallassistierten Fettabsaugung wird dagegen mit Hilfe des Ultraschalls die Fettzelle aufgesprengt und der Inhalt verflüssigt. Ein weiterer Meilenstein in der Entwicklung ist die Anwen dung der Tumeszenztechnik, bei der durch Infiltration größerer Flüssigkeitsmengen (zusammen mit Lokalanästhesie, Adrenalin u.a.) – neben vielen anderen Vorteilen – eine erhebliche Verringerung des Blutverlustes erreicht werden konnte.
Zum besseren Verständnis ist es erforderlich, kurz auf die Anatomie des subkutanen Fettgewebes einzugehen. In bestimmten Bereichen wie Oberschenkelaußenseite, Unterbauch oder Kniegelenksinnenseite findet sich eine oberflächliche und eine tiefe Schicht. Die tiefe Fettschicht ist die Schicht, die bei adipösen (übergewichtigen) Menschen deutlich hypertrophiert (zunimmt). Diese tiefen Fettpolster sind auch geschlechtsspezifisch und individuell unterschiedlich ausgeprägt.
Zunächst war man aus Gründen von entstehenden Konturirregularitäten bemüht, nur in der tiefen Fettschicht, d. h. der Reservefettpolster abzusaugen. Körperregionen mit naturgegeben schlafferer Hautsituation kamen von vornherein für eine Absaugung nicht in Frage (z.B. proximale Oberschenkelinnenseite, nahe dem Schambereich). Erst das Vordringen in eine oberflächennahe Zone erweiterte das Spektrum und die Regionen, in denen eine Fettabsaugung vorgenommen werden konnte, erheblich. Es wurde damit nicht nur eine bessere Formgebung (daher der Begriff Liposkulptur), sondern auch eine bessere Hautretraktion (d. h. eine bessere Fähigkeit der Haut, sich zusammenzuziehen) ermöglicht. Konturirregularitäten konnten somit besser vermieden werden.
Fettabsaugung mittels Tulip-System
Es handelt sich dabei um eine Modifikation des Absaugvorgangs, bei welcher der für die Fettabsaugung erforderliche Unterdruck nicht mittels elektrischer Absaugpumpe, sondern mit Hilfe einer speziellen Spritze erzeugt wird.
Der Absaugvorgang selbst sowie die erforderlichen Kanülen unterscheiden sich nicht wesentlich. Das System eignet sich besonders für Körperregionen, in denen nur geringe Volumina abgesaugt werden müssen (z.B. Kniegelenksinnenseiten, Kopf-, Halsbereich). Als hauptsächliche Nachteile muss man vor allem den ständigen Spritzenwechsel sowie die wechselnden Druckgradienten während des Absaugvorganges berücksichtigen. Die postoperativen Ergebnisse und die Komplikationsraten unterscheiden sich von den oben beschriebenen Methoden nicht.
Ultraschall-assistierte Liposuktion (UAL)
Anfang der 90er Jahre wurde ein neues Verfahren bei der Fettabsaugung eingeführt, das unter dem Einsatz von Ultraschallenergie die selektive Zerstörung von Fettgewebe ermöglichte. Dabei wurde eine solide Titansonde zur Ultraschallapplikation verwendet, bei der die Fettzellen selektiv durch Expansion und Kompression von entstehenden kleinsten Gasblasen zerstört werden (Kavitation). In einem zweiten Sehritt erfolgte dann die Absaugung des verflüssigten Fettes mit einer üblichen Absaugkanüle. Neuere Gerätegenerationen ermöglichen die Ultraschallapplikation und Absaugung in einem einzigen Arbeitsvorgang mit Hilfe von Titanhohlsonden und speziellen Kühleinrichtungen der Sonde. Aus der Anwendung von Ultraschall resultiert eine Gewebeerwärmung. Weiterhin ist für eine ausreichende Kavitation (s.o.) ein feuchtes Milieu erforderlich. Dies hat zur Folge, dass die Ultra-schall-Fettabsaugung nur in Zusammenhang mit der Tumeszenztechnik angewendet werden darf. Aus dem Gesagten lässt sich zwanglos das Hauptproblem der neuen Technik erklären: die thermische Energie, die zu möglichen Schäden des Gewebes -vornehmlich der Haut – führen kann.
Die Durchführung der Fettabsaugung
Wichtig ist, dass vor der Operation in einem ausführlichen Aufklärungsgespräch auf die Möglichkeiten und Grenzen der jeweiligen Technik eingegangen wird. Es ist unmöglich, aus einer gealterten Haut eine jugendliche Haut zu zaubern. Utopisten und Perfektionisten sind keine idealen Kandidaten für ein Ergebnis, das sowohl den Operateur als auch den Patienten befriedigen soll. Zusagen, was angestrebte Konfektionsgrößen betrifft, sind ebenfalls problematisch, da aus anatomischen Gründen eine angestrebte Fettreduktion manchmal nicht möglich ist. Die Form eines Bauches ergibt sich z. B. nicht nur aus dem subkutanen Fett, sondern auch aus der Spannung der Bauchwand und dem Inhalt des Bauchraumes, den Abdominaiorganen mit seinen Fettdepots. Gerade beim Mann finden sich oft große Mengen des Reservefettes intraabdominell (im Bauchraum).
Selbstverständlich sollte eine gründliche präoperative Untersuchung (einschließlich Labor und EKG) durchgeführt werden. Nach fotografischer Dokumentation werden die abzusaugenden Fettdepots in Form von Höhenlinien angezeichnet. In der Regel wird eine Infiltrationsanästhesie in Form der Tumeszenztechnik (s.o.) durchgeführt, bei der neben dem Lokalanästhetikum und Adrenalin (u.a.) große Mengen Kochsalzlösung und destilliertes Wasser mittels Rollerpumpe oder spezieller Spritzen infiltriert werden. Dies führt zu einer deutlichen Vergrößerung der Fettgewebsschicht, was den Absaugvorgang erleichtert sowie zu einer erheblichen Reduktion des Blutverlustes, erkennbar an der Aspiration von reinem Fett ohne wesentliche Beimengung von Blutbestandteilen. Kombiniert wird die Lokalanästhesie häufig mit einer Dämmerschlafnarkose. Über kleinste Inzisionen, die bereits bei der Infiltrationsanästhesie verwendet wurden, wird nach einer Wartezeit von etwa 15 Minuten mit dem eigentlichen Absaugvorgang begonnen. Mit speziellen Kanülen, die heute nur noch einen Durchmesser von 2-4 mm haben sollten, wird dann das abzusaugende Areal fächerförmig tunneliert. Blutgefäße, Bindegewebssepten, Nerven und Lymphbahnen werden bei dieser Technik (im Gegensatz zu den sonstigen Straffungsoperationen) weitestgehend geschont. Ausgehend von der Tiefe sollten die Areale in verschiedenen Levels gleichmäßig bis nahe zur Lederhaut abgesaugt werden. Die früher geübte Praxis, die oberste Fettschicht unberührt zu lassen, wurde fallengelassen, nachdem man feststellen konnte, dass durch oberflächennahes Absaugen eine wesentlich bessere Hautstraffung erreicht werden konnte. Entscheidend ist, dass der Absaugvorgang ständig manuell kontrolliert wird und nicht eine Absaugung nach Augenmaß“ erfolgt. Zum umliegenden Fettgewebe werden entsprechend harmonische Übergänge geschaffen. Eine Kontrolle gegebenenfalls im Stehen deckt schwerkraftbedingte Unzulänglichkeiten auf, die dann gegebenenfalls korrigiert werden müssen. Aufgrund vorbestehender Asymmetrien des Weichteilmantels kann es manchmal auch erforderlich sein, jeweils unterschiedliche Mengen abzusaugen. Nach abschließender Kontrolle werden die Inzisionen durch Naht verschlossen.
An Stellen, an denen nach der Absaugung eine sehr schlaffe Hautsituation vorliegt, kann durch Tapeverbände, welche die Haut in die gewünschte Position ziehen, eine innere Vernarbung an der richtigen Stelle“ erreicht werden. In jedem Fall ist das Tragen eines Kompressionsmieders für einige Wochen obligat (unterschiedlich lange je nach Lokalisation). Es soll verhindern, dass sich flüssigkeitsgefüllte Hohlräume bilden, was den Heilungsvorgang verzögern würde. Es ist jedoch eine Wunschvorstellung zu glauben, man könne durch langes Tragen eines Mieders das chirurgische Endergebnis der Absaugung verbessern.
Es gibt verschiedene Zonen am Körper, die unterschiedlich auf eine Fettabsaugung reagieren. Demzufolge unterscheidet man zwischen leichten und schwierigen Zonen. Dies betrifft sowohl die Absaugbarkeit des Fettpolsters, die Hautelastizität mit entsprechender Reaktionsfähigkeit sowie die postoperative Schwellungsneigung.
Ein Beispiel für eine schwierig zu behandelnde Deformität sind z.B. die „Pfostenbeine” am Unterschenkel. In geübter Hand sind jedoch auch solche Lokalisationen – wenn man die längere Konvaleszenzzeit berücksichtigt – kein gravierendes Problem mehr.
Bei der Ultraschall-assistierten Fettabsaugung (UAL) wird in der Regel zuerst eine Ultraschallbehandlung des Fettgewebes erfolgen und anschließend das verflüssigte Fett abgesaugt, was eine nicht unerhebliche Verlängerung der Operationszeit zur Folge hat. In der Regel lassen sich Fettabsaugungen ohne Einbußen an Sicherheit ambulant durchführen.
Mögliche Komplikationen
Als ästhetische Komplikationen“ sind Ergebnisse zu betrachten, bei denen das angestrebte vom erreichten Operationsziel abweicht. Sie sind selten, jedoch nicht auszuschließen. Diese reichen von einer Unterkorrektur über eine Asymmetrie bis hin zu Dellen- und Stufenbildungen sowie Hyperpigmentierungen. Im Zweifelsfall ist es jedoch besser, eine Unterkorrektur in Kauf zu nehmen – die man nachbessern kann – als eine schlecht oder nicht mehr korrigierbare Überkorrektur. Asymmetrien sind bei genauer Betrachtung oft schon präoperativ vorhanden, und nicht jede Asymmetrie ist durch Operation korrigierbar. Selbst Dellenbildungen sind in geübter Hand oft korrigierbar, so dass am Ende ein für alle Beteiligten zufriedenstellendes Ergebnis erreichbar wird.
Chirurgische Komplikationen sind eher selten. Darunter fallen z. B. größere Hämatome, Infekte, Thrombosen, Embolien oder Hautnekrosen. Extreme Raritäten stellen Verläufe mit tödlichem Ausgang dar. Bei Durchsicht der medizinischen Literatur fällt auf, dass derartige Zwischenfälle vor allem bei größeren Fettabsaugungen aufgetreten sind. Absaugvolumina unter zwei Liter mit begrenzter Absaugfläche sind in der Regel als unkritisch zu betrachten, wenn bereits im Vorfeld der Operation Risikopatienten selektiert werden. Lieber zwei Sitzungen in Kauf nehmen als eine Megaliposuktion“ mit Risiken durchführen. Durch die oben beschriebene Tumeszenztechnik konnte die Gefahr von Blutverlusten minimiert werden. Jedoch sollten okkulte Blutverluste ins Gewebe nicht unterschätzt werden.
Lediglich eine leichte Beruhigung während der Operation anstatt einer Vollnarkose trägt ebenfalls zur Risikominderung bei. Und schließlich das Vermeiden von Kombinationseingriffen mit großen Wundflächen – ein weiterer Sicherheitsaspekt, den es zu berücksichtigen gilt.
In geübter Hand stellt die Fettabsaugung ein elegantes Verfahren dar, mit der unter Berücksichtigung konstitutioneller Voraussetzungen dauerhafte Verbesserungen der Körpersilhouette zu erreichen sind. Bei Beachtung bestimmter Regeln, einer kritischen Indikationsstellung und einer akkuraten Durchführung kann der Eingriff als äußerst risikoarm eingestuft werden.
Dr. Matthias Wagner
MEDICINE & BEAUTY 2/2000